Kammertheater Neubrandenburg

2001 durch eine Fusion mit dem Theater Neustrelitz abgewickelt

Das Kammertheater Neubrandenburg im Schauspielhaus war ein künstlerisch und wirtschaftlich äußerst effektives kleines Stadttheater:
18 Mitarbeiter und 8 ansässige Theaterkünstler haben, unterstützt von ungefähr ebensovielen Gastschauspielern, -Spielleitern und -Ausstattern, bewußt im Widerspruch von Kontinuität in der Arbeit und Herkunft und Austausch bzw. Fluktuation, mit einem vergleichsweise geringen Budget eine beachtliche Vielfalt im Angebot vorweisen können.

1993 ins Schauspielhaus Neubrandenburg eingezogen, wurde das Kammertheater im Februar 2001 abgewickelt. Ein seit 1995 von der Stadt Neubrandenburg, dem Theater Neustrelitz  und dem Ministeriums für Wissenschaft, Bildung und Kultur vorbereiteter Vorgang.

Das Inventar ging in Form einer „Fusion“ an die jetzige „Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz“ unter der damaligen Leitung von Ralf Peter Schulze über. Inszenierungsnachlässe mußten von den Schauspielern zum Neupreis erworben werden, oder wurden größtenteils entsorgt.
Um den Fusionsvorgang einleiten zu können wurde eine Insolvenz eingeleitet.
Über ein Jahr kämpfte das Ensemble für die Aufrechterhaltung des Theaters mit verschiedenen Konzeptionen, welche aber letztendlich abgelehnt wurden. Die Folge: fast das ganze Ensemble mußte gehen um nicht „unterzugehen“.

Über Jahre hinweg wurde verschwiegen, dass es das Kammertheater als solches nicht mehr gibt. In Ankündigungen und Programmheften wurde das Kammertheater über Jahre weiter geführt. Dies sicherte Subventionen für ein Theater welches längst abgewickelt war.

Das Schauspielhaus Neubrandenburg, ältestes Komödienhaus Mecklenburgs, saniert und 1994 fertig gestellt, hat seit 2001 kein eigenes Ensemble mehr, sondern wird von der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz "bespielt". Die Stadt Neubrandenburg muss seit dieser „Fusion“ mehr Geld für die Bespielung des Hauses aufbringen als für das damals eigene Theater mit Ensemble, das „Kammertheater Neubrandenburg“. Die Stadt Neubrandenburg hat in vergangenen Jahren viele kulturelle Einrichtungen geschlossen. Auch Jugendclubs sind davon betroffen. Neubrandenburg war einst bekannt durch ein strukturell einzigartiges Theater. Das Kammertheater konnte ständig international positive Signale nach innen tragen.
In den letzten Jahren aber wurde die Bedeutung der Kultur in der Region mehr und mehr vernachlässigt. Alle Kultureinrichtungen sollten möglichst viele Einnhamen erziehlen. Zudem möchte das Land MV nur noch jene Theaters fördern, welche die meisten Besucherzahlen aufweisen, was letztendlich einer Zensur gleichkommt. Denn welches Theater wird sich unter solchen Bedingungen schwieriger Themen annehmen und damit die Förderung riskieren?

Das Kammertheater hat ca. 50% des Repertoires für Kinder und Jugendliche gespielt.
(Seit 2001 wird nur noch Samstags eine Familienvorstellung gegeben und die Weihnachtsbespielung wird aufrecht erhalten. Dieser Verlußt wurde bislang offensichtlich nicht wahrgenommen)
Das Kammertheater war auf internationalen Festivals vertreten.
Das Kammertheater war ein strukturell einzigartiges Theater und konnte dadurch besondere Inszenierungen hervorbringen welche mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurden.
Das Kammertheater war ein finanziell besonders effektives Theater durch flexible Strukturen.
Das Repertoire des Kammertheaters war abwechslungsreich, auch durch viele internationale Gastspiele am eigenen Haus. All dies kann das jetzige „Bespieltheater“ nicht aufweisen.
Der Stadt NB kostet die jetzige fusionierte Struktur mehr Geld als zuvor.
Hier stellt sich natürlich die Frage nach dem Sinn einer solchen Kulturpolitik. Der kulturpolitische - und im Wiedervereinigungsgesetz verankerte Auftrag die Kultur in den Regionen zu erhalten - wurde ignoriert.

Christian Schwandt spielte im Auftrag der Stadt NB und des Ministeriums für Wissenschaft, Bildung und Kultur eine Schlüsselrolle bei der Fusionierung.
Herr Schwandt hatte sich eine günstige Position im Trägerverein des „Kammertheaters“ verschafft, konnte von dort aus eine Insolvenz einleiten und das Kammertheater im Namen der Stadt und mit Hilfe von Ralf Peter Schulze, Dieter Köplin und Matthias Wolf ... abwickeln.

Herr Schwandt ging 2007 nach Lübeck. Auszug aus einer Pressemitteilung Lübecker Nachrichten 25.09.2007
Christian Schwandt: Er soll das Theater Lübeck zu wirtschaftlichem Erfolg führen.
" Überzeugend seien Schwandts Konzepte bezüglich der Positionierung des Theaters in der Region und zur Erhöhung der Zuschauerzahlen gewesen. "Außerdem ist Schwandt ein Mann der Zahlen, der in Neustrelitz/Neubrandenburg trotz leerer Kassen erfolgreich gewirtschaftet hat."........In den Jahren 1999 bis 2001 habe er das Kammertheater Neubrandenburg saniert, "den Spielplan geändert, die Zuschauerzahlen erhöht".


Mit Sanieren war ganz offensichtlich Abwickeln gemeint.
Natürlich war der Verein Kammertheater auch in einer Schieflage, weil Gelder ungerecht verteilt wurden. Die Grundkonzeption war gut, verlangte aber dringend nach einem "Update", welches leider nicht durchgeführt wurde. Letzteres mußte aber nicht zwangsläufig bedeuten das ganze Ensemble und deren Konzept abzuwickeln.

Seit 2001 arbeiten die ehemaligen Schauspieler noch immer im Raum Berlin/Neubrandenburg.
Sie unternehmen weltweit Gastspiele, werden aber von der Stadt und dem Land nicht mehr wahrgenommen. Wer in Neubrandenburg spielen will, hat entweder die Möglichkeit die Konzertkirche für ca. 4500€ zu anzumieten, oder das Schauspielhaus für ca. 700€. Keine Voraussetzungen also für ein professionelles Gastspiel, denn ein Künstler erhält ein Honorar für seine Arbeit und wird somit keine Miete zahlen um als Veranstalter zu fungieren, denn Theater ist nicht zwangsäufig nur auf Einnhamen fixiert. Letzteres würde nur mit kommerziellen Projekten möglich sein, welche durch grosse Agenturen vermittelt werden. Die Stadt hat offensichtlich keinen Auftrag mehr mit Steuergeldern Kultur in der Region zu fördern, sondern versteht sich als Unternehmer, indem es Veranstaltungsstätten vermietet. Dies spart zudem Gema und KSK Beiträge. Übrig bleibt eine merkwürdige Subkultur - wie vielerorts. Eine Verbindung zwischen Kultur und Lebensqualität, welche natürlich die wirtschaftliche Entwicklung der Region fördern würde, erkennt die Stadt leider nicht mehr.

Illustrationen: Klemens Kühn

Illustrationen: Klemens Kühn

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