Kritiken
Blut, Liebe, Tempo und Rhetorik
Es ist eine Geschichte in der Geschichte einer Geschichte. Bei Tom Stoppards "Rosenkranz und Güldenstern sind tot geht es zum einen um Shakespeares "Hamlet", zum anderen um zwei Männer, die sich so ähnlich sind wie fremd. Die sich im Spiel des "Hamlet" ebenso verirren wie im Leben. Ihre philosophische Rhetorik ähnelt den Plaudereien von "Warten auf Godot”. Und es geht ihnen dabei um Leben und Tod, ums Sterben an sich und um die Frage, ob wir alle nur Marionetten sind. Wer sind wir? Wo gehen wir hin? Wer lenkt uns? Was soll aus uns werden? Antworten gibt's nicht.
Die Inszenierung von Horst J. Lonius (Kostüme: Klaus Noack) zeigt alle Figuren bewußt in ihrer bezaubernden Hilflosigkeit. Denn sie wissen nicht, was sie tun. Oder doch? Das amüsiert den Betrachter. Ha, da kann er sich selbst sehen, in seinem ständigen zwecklosen Bemühen um Aufklärung der Dinge. Was doch sehr traurig ist. Damit das alles aber nicht so traurig aussieht, wie es ist, wird's in alte und neue Geschichten verpackt. Die sind auch traurig, und ebenso paradox wie das Leben.
Da sind die beiden (äußerst lebendigen) Figuren Rosenkranz (Peter Müller) und Güldenstern (Stefan Wey). Sie sind den Tragöden gegenüber gestellt, die wie Außerirdische anmuten und die dann so was wie Regie führen. Auch für eine weitere Geschichte, die sich um Hamlet, Königin, König und Polonius rankt. Die wird beeindruckend, durch Masken und (herrliche!) Puppen, im rechten Licht (Hannelore Fial) wieder gegeben. Und schon fragen sie sich gegenseitig Löcher in den Bauch und geben sich gleichzeitig logische wie unlogische Antworten: Wo befinden wir uns hier? Wir sind Schauspieler, wir sind das Gegenstück des Menschen...
Der Abend verläuft fesselnd in der rhetorischen Auseinandersetzung, da alle immer in Aktion sind. Die Sprache, auch der Spaß an der Rhetorik wird gekonnt umgesetzt in regelrechte und doch feinfühlige Action. Da ist auch ein Fischbassin, in das ständig langsam aber sicher Wasser fließt. Der Kreislauf (des Lebens) ist perfekt.
Gearbeitet wird mit Tafel, Benzinkanister, Jacken, Schuhen, Stoffen, Stangen, Kasperletheater und vielem mehr. Phantastische Ergänzungen aller bilden Spitzen-Timing, im Spiel, im Rennen, im Klettern, im Dialog. Wobei Peter Müller als Rosenkranz den Part des Lockvogels übernimmt. Einer muß schließlich der Looser sein... - Spitze!
Was wir zwischen Rhetorik, Blut und Liebe erleben, ist so köstlich wie erschreckend zugleich. Während des durchgängigen zweistündigen Spiels wird vor allem eines klar. Wir sind doch alle wirklich nur Kinder – Kinder dieser Welt.
“Man handelt auf Verdacht”, das ist die Valuta des Lebens, meint Rosenkranz fast am Ende. Oder wars Güldenstern?
Egal. Wir wissen jetzt, das Leben ist (k)ein Spiel, und doch sind wir alle nur Schauspieler, Akteure, Marionetten, Puppen………Oder? Sylvia Obst